Sebastian Haffner: Der Erfolg des Grundgesetzes. Eine Bilanz (Radio-Beitrag)

#brd #verfassung #weimar #demokratie #freiheit #gleichheit #monarchie #republik #bismarck #1968 #spiegel #npd #raf Audio-Beitrag: Der Erfolg des Grundgesetzes (Hessischer Rundfunk vom 22. Mai 1974) 0:36 “Auch machen fast alle Verfassungen einen gewissen Anspruch auf Endgültigkeit. Es liegt in ihnen ein ausgesprochenes oder unausgesprochenes Ein-für-allemal; und auch diesen Anspruch können sie selten oder nie wahr machen“ 2:06 “Wenn wir [...] an seinem Silberjubiläum auf das Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland blicken, dann können wir nur staunen. Denn hier haben wir den seltenen, vielleicht sogar einmaligen Fall, dass die Verfassungswirklichkeit, den Verfassungsanspruch auf eine [...] ungeahnte Weise übertrifft“ 3:01 “Keine Rede von einem Anspruch auf Endgültigkeit. Ausdrücklich nur für eine Übergangszeit sollte das Grundgesetz als “Notbehelf“ herhalten. Einer seiner Väter, der spätere erste Bundespräsident Theodor Heuss hatte sogar vorgeschlagen, dass das Grundgesetz nach 10 Jahren automatisch wieder außer Kraft treten sollte. Nun, jetzt ist es 25 Jahre in Kraft und niemand denkt mehr daran es abzuschaffen. Das ist ein Stablitätsrekord, der sich sehen lassen kann“ 5:45 “Es gibt keine entsprechende Verfassungsfeindlichkeit in der Bundesrepublik - im Gegenteil“ 6:02 “Als das Grundgesetz im Mai 1949 verkündet wurde, präsentierten es nicht nur seine Urheber mit einer gewissen verschämten Bescheidenheit. Auch bei den Empfängern, den deutschen Bürgern, erweckte es keine Begeisterung. Man empfand es kaum als ein Ereignis. Die Deutschen hatten damals andere Sorge. Sie nahmen das Grundgesetz hin, wie sie damals alles hinnahmen, ohne sich um die Einzelheiten viel zu kümmern“ 7:25 “Gerade die Jahre der Unruhe stärkten die Verfassung“ 10:35 “Obwohl es nie vom Volk formell ratifiziert worden ist“ 14:10 “Das Grundgesetz ist, meiner Meinung nach, wirklich in vieler Hinsicht eine bessere Verfassung als die Weimarer, [...] aber das Grundgesetz hat auch Glück gehabt, in den Voraussetzungen seiner Entstehung sowohl wie in den Begleitumständen seiner Ingangsetzung. Und beides gehört zur Verfassungswirklichkeit“ 19:36 “Dieser Neubeginn [1948] war nicht mehr, wie dreißig Jahre zuvor, von einem Absturzerlebnis begleitet. Im Gegenteil. Nachdem man drei Jahre lang hilflos in einem Abgrund gelegen hatte, fing man jetzt an, aus dem Abgrund wieder herauszuklettern. Die neue Währung. die neue Verfassung, der neue Staat waren die ersten Schritte wieder nach oben; und jeder fühlte es! Die Weimarer Verfassung war bei ihrer Entstehung von einer Stimmung nationaler Verzweiflung umgeben gewesen - das Bonner Grundgesetz, von einer Atmosphäre neuer Hoffnung“ 21:36 “Die Weimarer Verfassungsarchitekten waren Optimisten, die Väter des Grundgesetzes eher Pessimisten“ 22:15 “Das Bonner Grundgesetz ist eher von Misstrauen geprägt. Seine Verfasser waren gebrannte Kinder“ 22:46 “Das Bonner Grundgesetz will eine demokratische Verfassung sein, die auch unter fehlbaren und verführbaren, unvollkommenen Menschen funktionieren kann. Es will die Demokratie auch vor sich selber schützen“ 24:08 “Das Bonner Grundgesetz dagegen bedeutet einen radikalen, bewussten und absichtlichen Kontinuitätsbruch! Seine Verfasser haben an keine vorangehende, deutsche Tradition und Verfassung angeknüpft. Auch nicht an die Weimarer“ 25:55 Drei Lehren aus der Weimarer Verfassung: Die Stabilisierung der Regierung, die Entmachtung des Bundespräsidenten und die Mediatisierung des Wählers 27:50 “Nicht jede Schwankung in der Wählerstimmung soll sofort auf Parlament und Regierung durchschlagen“ 30:54 “Ein Bundespräsident, der sich weigern wollte, de Kanzlerkandidaten vorzuschlagen, den die Bundestagsmehrheit wählen will, würde heute bereits eine Verfassungskrise heraufbeschwören“ 34:01 “Weimar war bereit, sich dem Wählerwillen unbedingt unterzuordnen, bis zur Selbstpreisgabe. Bonn ist es nicht“ 38:38 “Vom Grundgesetz kann man das nicht sagen. Es geizt mit der Macht, dem es dem Wähler zubilligt und es trifft viele Vorkehrungen, um ein zu schnelles und zu leichtes Durchschlagen des schwankenden Wählerwillens auf die Staatsführung, zu verhindern. Der Wähler soll es nicht zu leicht haben“ 43:23 “Man hat sozusagen einen komplizierten Hindernisparcours aufgebaut, der freilich nicht nur revolutionären und verfassungsfeindlichen Volksbewegungen das Leben schwer macht, sondern auch durchaus verfassungskonformen Bestrebungen, nach Reform und Veränderung“ 45:30 “Überall treffen wir die Parteien wieder und zwar überall dieselben Parteien“ 46:16 “Die Parteien sind das große, unentbehrliche Bindeglied zwischen Volk und Staat. Von ihrer Verfassung hängt ab, ob die Verbindung von Demokratie und Stabilität, die das Grundgesetz erstrebt, gelingt oder nicht“ 51:52 “Der Föderalismus ist [...] von den Besatzungsmächten [...] aufgenötigt worden“
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