Es ist ein kühler Morgen in der kleinen Gemeinde Radibor bei Bautzen. Raureif ziert die Dächer und die ersten Sonnenstrahlen scheinen über den Horizont. Es ist 6 Uhr.
Während die Großen noch schlafen, stecken die Kleinsten bereits in den Vorbereitungen für die heutige Vogelhochzeit.
Denn am Nachmittag findet hier eine große Aufführung des Katholisch-sorbischen Kinderhauses “Alojs Andricki“ in der örtlichen Gaststätte „Meja“ statt. Lang haben die Stepkes trainiert, um nun ihren Eltern und den Gästen eine federfrohe Vorführung ganz im Zeichen der sorbischen Tradition zu präsentieren.
Denn hinter der Vogelhochzeit steckt eine alte Wintertradition.
Es handelt sich um einen Jahresbrauch, der in einigen europäischen Regionen bekannt ist, vor allem aber bei den Sorbern in der Lausitz. Hier heißt er niedersorbisch Ptaškowa swajźba und obersorbisch „Ptači kwas“.
Typisch sind dabei mit Zuckerguss überzogene Teigvögel, die „Sroki“. Größter Beliebtheit erfreuen sich auch die Schmätzl (Baiservögel oder -häubchen, die innen manchmal noch weich und klebrig sind). Auch so genannte Kremnester (bestehend aus einem Keksboden, darauf eine Butterkremschicht in Form eines Nestes mit dunkler Schokolade überzogen und bunten Zuckereiern in der Mitte) gehören zur Vogelhochzeit.
Im Kindergarten oder in der Schule feiern die Kinder dann als Vögel verkleidet die eigentliche Vogelhochzeit mit Gesang, Festumzügen oder Aufführungen, wie auch hier in Radibor. Während in deutschen Kindertagesstätten das Brautpaar als Amsel und Drossel verkleidet ist, stellen im Sorbischen Elster (sroka) und Rabe (hawron/wron) Braut und Bräutigam dar und tragen die sorbische Hochzeitstracht anstatt eines Federkleides.
15:30 Uhr war es dann so weit. 19 Kinder des sorbischen Kinderhauses pilgerten in Tracht und Anzug gekleidet in die nahegelegene Gaststätte. Nach einer kurzen Begrüßung der Gäste in sorbischer Sprache, gab Kinderhaus-Leiterin Andrea Hennig die Bühne dann für die Stepkes frei. Mit sorbischen Vogelhochzeits-Liedern, Gedichten und Tänzen (wie dem sorbischen Traditionslied mit Tanz, „Stup Dale“, was übersetzt so viel wie „schreite weiter“ bedeutet) wussten die kleinen zu unterhalten. Begleitet wurden sie dabei von Erzieherin Silvia Schiebschick an der Gitarre.
Wie Leiterin Andrea Hennig erzählt, sei sie besonders stolz darauf, dass die Kinder, welche die sorbische Sprache noch lernen, die Aufführung dennoch mit Bravour gemeistert haben.
Nachdem die Kinder ihren wohlverdienten Applaus genossen hatten, gab es für sie und ihre Gäste noch einige der sorbischen Vogelhochzeitsspezialitäten, wie Sroki und Kremnester zu Kakao und Kaffee. Andrea Hennig war sehr zufrieden mit der Darbietung der Kinder.
Gesättigt und froh über die bestandene Aufführung, führte es das Brautpaar mit seinem Gefolge schließlich wieder zurück in ihr Nest.