Köln - Karneval in der NS-Zeit - 1938: Die ungeküsste Mutter Colonia
Jetzt auch als VoD: Seit Menschengedenken wird die Rolle der kölschen Jungfrau im Karneval von einem Mann ausgefüllt. Weil aber Männer in Frauenkleidern den Nazis ein Graus sind, wird die Rolle der Mutter Colonia 1938 zum ersten Mal von einer echten Frau verkörpert.
Fünf Jahre nach der Machtübernahme zeigt sich der offizielle Karneval auf Linie mit der NS-Ideologie und bricht dafür auch mit alten Traditionen. Zugleich erscheint das Fastnachtstreiben in Köln populärer und pompöser denn je. Zum ersten Mal treten Prinz, Bauer und Jungfrau unter der gemeinsamen Marke “Dreigstirn“ auf. Und auch eine Prinzenproklamation gibt es in diesem Jahr zum ersten Mal. In seiner Antrittsrede verkündet Prinz Hubert I. den Beginn einer Ära großer Ausschweifungen. Er erklärt den Kuss zum “närrischen Brauchtum“ und äußert den Wunsch “dem weiblichen Geschlecht erfolgreich zu begegnen“, was er dann auch in deftiger Form vor laufenden Kameras in aller Öffentlichkeit auskostet und einfordert. Nur Jungfrau Paula bleibt in diesem klassischen Männertraum auffallend ungeküsst.
Höhepunkt dieses rauschaften Zustandes ist der Rosenmontagszug, als nationales Aushängeschild europaweit beworben. Noch nie zuvor waren so viele Gäste von außerhalb gekommen, um den höchsten kölschen Feiertag mit zu erleben. Doch der Zoch präsentiert sich in diesem Jahr auf nahezu allen Mottowagen als NS-Propagandaschau und fällt vor allem mit einer Vielzahl an verächtlichen Motiven und antisemitischen Hetzwagen auf. Offiziell präsentiert im Namen der kölschen Vereine und Gesellschaften, werden sie durch die Stadt gezogen.
“Das waren die Judenwagen“, sagt Arnold Unkelbach, 1935 einer von Kölns letzten männlichen Jungfrauendarstellern der Vorkriegszeit: “Die meisten Leute haben gepfiffen und waren nicht damit einverstanden. Die meisten echten Karnevalisten waren dagegen.“
Nach dem Krieg wurde dieses peinliche Kapitel des kölschen Fastelovends über Jahrzehnte “versteckt“, ja es wurde gar an der Legende gestrickt “der kölsche Fastelovend“ habe der Naziideologie widerstanden. Widerspruch gegen die Flucht vor der eigenen Geschichte gab es nicht. Erst Ende der 1980er Jahre wird das Thema einer größeren Öffentlichkeit bekannt. Und es wird klar: Es waren nur Wenige, die sich in ihrer Narrenfreiheit durch die Nazis nicht einschränken lassen wollten. Einer der sich treu blieb war der legendäre Büttenredner Karl Küpper, auch er ist in diesem Film in seltenen bewegten Bildern zu sehen.
Dieser Filmbeitrag ist ein Ausschnitt aus der dreiteiligen DVD-Reihe “Köln im “Dritten Reich““ von Hermann Rheindorf.
Die drei Teile zeigen auf insgesamt 6,5 Stunden ausführlich die Entwicklung der Stadt und das Leben der Menschen, beginnend mit dem ersten Besuch Adolf Hitlers in Köln-Ehrenfeld im Jahr 1930, bis zum bitteren Ende im Jahr 1945. Aufnahmen vom Kölner Karneval gibt es aus jedem Jahr zwischen 1933 und 1939 zu sehen, sie zeigen wie der Einfluß der Nationalsozialisten auf das größte Volksfest der Stadt Jahr um Jahr zunahm.
Die Box mit drei DVDs gibt es zum Sonderpreis von € 29,90 auf
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