WOLFGANG SCHÄUBLE TOT: Vollblut-Parlamentarier und Demokrat mit Leib und Seele | WELT Thema

Manche nannten ihn Strippenzieher, andere graue Eminenz oder auch Sphinx, weil er so schwer zu durchschauen war. Unbestritten ist mit Wolfgang Schäuble eine der herausragenden Karrieren in der bundesdeutschen Geschichte verbunden. Daran änderte auch ein Attentat eines Verwirrten im Oktober 1990 nichts, das Schäuble in den Rollstuhl zwang. Schäuble, dessen Vater Karl schon für die CDU im Badischen Landtag saß, hat viel erreicht in seinem Leben. Er war Chef des Kanzleramtes, zweimal Innenminister, Finanzminister, er führte die CDU/CSU-Bundestagsfraktion, stand schließlich dem Bundestag als Präsident vor. Niemand gehörte dem Parlament länger an als er, als «ewiger Abgeordneter» wurde er mitunter tituliert. 1972 war er erstmals ins «Hohe Haus» eingezogen, dem er ohne Unterbrechung bis zu seinem Tod am Dienstagabend im Alter von 81 Jahren angehörte. Die Wegbegleiter hatten es nicht immer leicht mit dem Badener. Schäuble und Kohl - Eine enge Beziehung endet im Bruch Kanzler Helmut Kohl macht Schäuble 1984 zum Chef des Bundeskanzleramtes und Bundesminister für besondere Aufgaben, von 1989 bis 1991 dann zum Bundesinnenminister. Schäuble handelt nach dem Mauerfall in der DDR den Einigungsvertrag mit aus und gehört mit zu den Architekten der Wiedervereinigung. Als Chef der Unionsfraktion sichert Schäuble von 1991 an Kohls Regierungsmacht ab. Zur Bundestagswahl 1998 tritt Kohl noch einmal an, benennt aber Schäuble zu seinem Wunschnachfolger zu einem späteren Zeitpunkt. Dazu sollte es nicht kommen. Die Union verliert die Wahl. Schäuble wird aber Parteichef. Schon bald danach erschüttert eine Spendenaffäre die CDU. Sie kostet Kohl den Ehrenvorsitz, die Turbulenzen erfassen aber auch Schäuble. Unter dem Druck immer neuer Enthüllungen über eine Barspende in Höhe von 100 000 Mark vom Waffenhändler Karlheinz Schreiber gibt Schäuble im Februar 2000 den Vorsitz von Partei und Fraktion auf. Es kommt zum Bruch mit seinem einstigen Freund und Förderer Kohl. Der Riss lässt sich nie wieder kitten. Schäubles jüngerer und 2013 verstorbener Bruder Thomas, einst Innenminister von Baden-Württemberg, sagt später dazu: «Ich verabscheue Herrn Kohl. Und ich kann da für die ganze Familie sprechen.» Schäuble und Merkel - Loyal trotz gelegentlicher Differenzen Ohne Schäuble wäre die Karriere von Angela Merkel womöglich anders verlaufen. Nach dem Abgang Kohls vom Parteivorsitz macht der neue CDU-Chef Schäuble die vormalige Ministerin zur Generalsekretärin. Als der Strudel der Spendenaffäre auch Schäuble mitreißt, spült die Parteibasis Merkel an die Parteispitze. Als Kanzlerin beruft sie 2005 Schäuble erneut zum Innenminister, 2009 dann zum Finanzminister. In der Griechenland-Krise treten unterschiedliche Meinungen beider zutage, Merkel hält aber an ihrem Finanzminister fest, auch als er bei einem Krisentreffen zur Euro-Rettung aus gesundheitlichen Gründen ausfällt. Auf der Haben-Seite als Finanzminister steht die «schwarze Null», also ein Bundeshaushalt ohne neue Schulden. Trotz gelegentlicher Differenzen steht Schäuble loyal zu Merkel. Zum Ende ihrer Amtszeit hat er Lob und ein wenig Kritik für sie parat. Im Wahlkampf erklärt er im «Tagesspiegel», dass er in Merkels Entscheidung, 2018 den CDU-Vorsitz abzugeben, einen Grund für das «enge Rennen» zwischen Union und SPD sieht. Auf der anderen Seite lobt er bei eine Veranstaltung des Nachrichtenportals «The Pioneer»: «Angela Merkel hat uns in 16 Jahren mit unglaublichen disruptiven Veränderungen Stabilität gesichert. Das ist eine große Leistung.» Schäuble würdigt ihre Bescheidenheit, lässt aber auch durchblicken, dass er sich gelegentlich entschlossenere Führung gewünscht hätte. Schäuble bleibt einfacher Abgeordneter. Als Alterspräsident - nach einer Regeländerung zuungunsten der AfD ist das nun jener Politiker mit den meisten Jahren im Bundestag - eröffnet Schäuble die erste Sitzung und wirbt für offenen Diskurs und selbstbewusste Abgeordnete. Schäuble sah sich als «Parlamentarier mit Leib und Seele», wie er selbst einmal sagte. #wolfgangschäuble #cdu #bundestag #weltnachrichtensender Abonniere den WELT YouTube Channel WELT DOKU Channel WELT Podcast Channel WELT Netzreporter Channel Der WELT Nachrichten-Livestream Die Top-Nachrichten auf Die Mediathek auf WELT Nachrichtensender auf Instagram WELT auf Instagram In eigener Sache: Wegen des hohen Aufkommens unsachlicher und beleidigender Beiträge können wir zurzeit keine Kommentare mehr zulassen. Danke für Eurer Verständnis - das WELT-Team Video 2023 erstellt
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